Die Gewaltentrennung wurde aufgehoben. Es ist so tatsächlich – so paradox es klingt – eben durch dieses Gesetz ein rechtsfreier Raum geschaffen. Denn Recht bedeutet eben auch und gerade Gewaltentrennung.
Er spricht von schweren handwerklichen Fehlern, Ungereimtheiten und Wahlkampf-Hektik:
„Der Digitalverband Bitkom hat anlässlich der heutigen Beratung des Gesetzesentwurfes zur Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz, NetzDG) im Bundeskabinett davor gewarnt, aus wahlkampftaktischen Überlegungen im Hauruck-Verfahren ein handwerklich schlechtes Gesetz zu beschließen, bei dem heute schon klar ist, dass es mehr Schaden als Nutzen erzeugt.
„Der Kampf gegen die Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten und gegen Hassrede in sozialen Netzwerken ist zu wichtig, als dass wir uns hier einen Schnellschuss leisten könnten. Zum einen muss sichergestellt werden, dass solche Straftaten im Internet konsequent verfolgt und geahndet werden, zum anderen geht es um Grundrechte wie die Meinungsfreiheit, die es im Netz ohne Wenn und Aber zu schützen gilt", sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.
„Die Bundesregierung hat sich mit dem Gesetzentwurf vergaloppiert. Gegen Hassrede im Netz gibt es keine einfachen und schnellen Lösungen. Von dieser Hoffnung müssen wir uns verabschieden. Beim Kampf gegen Hassrede brauchen wir einen langen Atem. Vor allem müssen die Behörden personell so ausgestattet werden, dass sie ihrem Auftrag der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken ebenso nachkommen können wie im Straßenverkehr."
Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf nur wenige Tage nach dem Ablauf der Stellungsnahmefrist von Verbänden, Experten und NGOs beschlossen, bereits eine Woche zuvor war der Referententwurf bei der EU notifiziert worden.
Bitkom weist darauf hin, dass der Gesetzentwurf eine ganze Reihe Unstimmigkeiten und handwerklicher Fehler aufweist und unisono von Unternehmen, Verbänden, Netzaktivisten und namhaften Juristen kritisiert wird, da er nicht geeignet ist, dem vorhandenen Problem von Hassrede im Netz wirksam entgegenzutreten.
Rohleder: „Die heute im Regierungsentwurf im Vergleich zum notifizierten Referentenentwurf vorgenommenen Änderungen können die schwerwiegenden Bedenken gegen das Gesetz nicht aus der Welt schaffen. Unser Befremden über die anhaltende Hektik wächst, zumal das Problem seit mehr als zehn Jahren bekannt ist." So sollen künftig zum Beispiel private Unternehmen in wenigen Stunden oder Tagen Entscheidungen treffen, die eigentlich eine umfassende Grundrechteabwägung erfordern. Rohleder:
„Ob es sich bei einer Äußerung um Beleidigung, Verleumdung oder sonstige strafrechtlich relevante Aussage handelt, ist mit wenigen Ausnahmen nicht in kurzer Zeit und manchmal auch nicht abschließend ohne einen juristischen Instanzenweg zu klären. Der vorliegende Gesetzentwurf führt zu einem Löschen auf Zuruf."Die Schwächen des Gesetzentwurfs sind umso gravierender, da anders als in der öffentlichen Diskussion dargestellt nicht nur zwei oder drei große soziale Netzwerke aus den USA reguliert werden, sondern praktisch alle Online-Communities, etablierte Bewertungsplattformen mit großem Nutzen für Verbraucher und sogar Kommunikationsdienste wie Messenger oder E-Mail betroffen sein können.
„Grundsätzlich kann jede Online-Kommunikation von dem Gesetz betroffen sein. Dies beinhaltet große Spieleplattformen, auf denen sich die Nutzer auch in Foren oder Chats austauschen, ebenso wie E-Mail-Kommunikation", so Rohleder. „Angesichts der kurzen Fristen und der hohen Bußgeld-Androhungen werden sich die Anbieter gezwungen sehen, in Zweifelsfällen vorsorglich eine Äußerung zu löschen. Das hätte gravierende Auswirkungen auf die freie Rede im Netz."
So hat Bitkom vorgeschlagen, spezialisierte Teams in den zuständigen Behörden aufzubauen, die dafür sorgen, dass rechtswidrige Äußerungen auch online Konsequenzen haben. Dabei gehe es zum einen um online geschulte Polizisten, die Präsenz in den sozialen Netzwerken zeigen, aber auch um Digitale Streetworker. Schon mit wenigen Hundert zusätzlichen Stellen bundesweit könne hier viel erreicht werden.
„Das Thema Hassrede im Netz gibt es seit mindestens zehn Jahren. Wir müssen unsere Bemühungen verstärken, die Menschen online anzusprechen und zu überzeugen", so Rohleder.
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