Meinungsverschiedenheiten
unter Grünen sind an sich nichts Neues. Zuletzt war Baden-Württembergs
Ministerpräsident Winfried Kretschmann aufgefallen, als er seinen
Parteifreund Anton Hofreiter indirekt
als „ahnungslos“ und „radikal“ bezeichnete. Sein
Gegenüber räumte ein, dass das Unsinn-Reden bei den Grünen zur
Befriedigung der eigenen Klientel notwendig sei.
Jetzt
hat der Grüne Volker Beck wieder einen Beitrag in dieser Debatte
geleistet, als er den grünen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer auf
Facebook attackierte. Doch zunächst der Hintergrund, ohne den die
Diskussion nicht zu verstehen ist:
Der Hintergrund: Ein Serienvergewaltiger aus Gambia
Wegen
des dringenden Verdachts der Vergewaltigung, der versuchten
Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung wurde gegen einen
in Tübingen wohnhaften Asylbewerber aus Gambia Untersuchungshaft
verhängt. Ihm wird vorgeworfen, in der baden-württembergischen
Stadt mindestens zwei vollendete und zwei versuchte Vergewaltigungen
begangen zu haben. Nachdem er in seiner Asylunterkunft im Februar 2017
eine 35-Jährige vergewaltigt hatte, führte ein DNA-Test bei ihm zu den
anderen drei Sexualstraftaten aus dem Jahr 2015. Er gilt laut Polizei
offenbar auch noch für weitere ähnlich gelagerte Fälle als Verdächtiger.
Seit der ersten Tat war bekannt, dass ein „dunkelhäutiger“ Sexualtäter
sein Unwesen trieb. Trotz der begrenzten Zahl an „Dunkelhäutigen“ in der
Gegend konnte der oder die Täter bis März 2017 aber nicht gefunden
werden. Die Staatsanwaltschaft hatte 2015 zwar einen Massen-DNA-Test
durchgeführt, doch die Abgabe der Probe ist laut Gesetz freiwillig.
Natürlich gab der Täter keine Probe ab. Er entsprach auch nicht ganz der
Täterbeschreibung der vier Opfer, die ihn alle als etwa 30 Jahre alt
beschrieben. Laut seinem Pass war der Gambier nur 19 Jahre alt – was
laut Palmer auf gefälschte Altersangaben hinweisen könnte.
Palmers Warnung
Nach
der Festnahme äußerte sich Tübingens OB mehrfach auf Facebook über die
Straftatenserie, die seine Stadt tief verunsichert hatte. Palmers erste
Äußerung am 6. Juli beinhaltete diese Sätze: „Ist es wichtig, dass der
Mann ein Asylbewerber und ein junger Mann war? Ja. Die Anzahl
vergleichbarer Fälle ist einfach zu hoch, um das als völlig normal
abzutun. (…) Davor zu warnen, vor zwei Jahren fast ein Sakrileg.“
Nach meiner festen Überzeugung ist Schutz vor Übergriffen von Asylbewerbern Teil einer humanen Flüchtlingspolitik.
Boris Palmer, Tübinger OB
Einen
Tag später schilderte er die Taten der letzten acht Wochen gegen die
sexuelle Selbstbestimmung in Tübingen: „Ein Asylbewerber aus Syrien hat
versucht, ein 10jähriges Mädchen zu vergewaltigen. Eine Gruppe Schwarzer
– die Wahrscheinlichkeit, dass es keine Asylbewerber waren, halte ich
für kleiner als 5 Prozent – hat Frauen auf einem Fest angegrabscht,
bespuckt, gezogen und bedroht.“ Dazu der verhaftete Gambier. Parallel
laufe der Prozess gegen einen Asylbewerber, der seine Geliebte mit einem
Dönermesser umgebracht hat. Der OB dann zu 2015 geäußerten Bedenken
vieler Bürger: „Ein Teil der Sorge war schlicht empirisch: Junge Männer
sind überall auf der Welt ein größeres Risiko, wenn sie keine Aufgabe
und kein soziales Umfeld haben. Die andere bezog sich auf die Prägung
dieser Menschen, denn sie haben ein anderes Frauen- und ein anderes
Männerbild als wir. (…) Ich finde, es gibt heute wenig Hinweise, dass
diese Warnungen unberechtigt waren. Eher umgekehrt.“ Ohne Zweifel ist
Palmer nicht: „Für einen Beweis der von mir vermuteten Kausalität fehlen
immer noch viele Daten. Für mich ist der Zusammenhang aber evident.“
Der verpflichtende DNA-Test
Dann
kam Palmer zu dem Punkt, den Beck aufgriff: „Nach meiner Meinung hätte
schon der erste Bericht einer Zeugin, dass ein junger Schwarzafrikaner
versucht hat, sie in einem Busch in der Innenstadt zu vergewaltigen,
gereicht, um (verpflichtend; Anm. d. Red.) DNA-Proben aller schwarzen
Asylbewerber in der Stadt zu nehmen. Das wären keine 100 Personen
gewesen, die Wahrscheinlichkeit den Täter zu finden, war extrem groß.“
Mehrfach machte Palmer jedoch klar, dass er „kein spezielles Gesetz für
Flüchtlinge“ wolle.
Er
sah natürlich voraus, was kommen würde: „Die gesinnungsethischen
Attacken, das alles sei Rassismus, sind programmiert. Daher zum Schluss
nochmal mein Punkt: Wer möglichst vielen Flüchtlingen Hilfe zuteil
werden lassen möchte, muss sich verantwortungsethisch Gedanken darum
machen, wie die Unterstützung dafür gesichert werden kann. Dafür muss
man aufeinander zugehen. Sich beschimpfen hilft nichts.“
Es kam, was kommen musste
Die linke Zeitung
taz fand seine Äußerungen trotzdem
beklagenswert, worauf sich Palmer auf Facebook verteidigte. Wolle man
auf einen verpflichtenden DNA-Test verzichten, so gebe es nur die
Möglichkeit eines gemeinsamen Vorgehens aller Beteiligten, um zur Abgabe
des Tests zu motivieren. „Das ist aber realpolitisch kaum machbar. Der
Vorwurf, das sei Rassismus, verhindert ein solch offensives Vorgehen.“
Die Zahlen bundesweit seien aber „leider sehr Besorgnis erregend“: 2016
waren 9 Prozent der Tatverdächtigen in Sexualstraftaten Asylbewerber.
„Das deutet auf eine stark erhöhte Kriminalitätsrate hin. Das müssen wir
zur Kenntnis nehmen, so unschön es auch ist, und dem Missstand
entschiedener entgegen treten als bisher.“
In einem Land, wo Deine flinke Zunge das Sagen hätte, möchte ich nicht leben.
Volker Beck, Grüne, zu Boris Palmer
Der
grüne migrationspolitische Sprecher Volker Beck wollte das nicht
unkommentiert lassen: „Wir können nicht allen helfen. Und Boris, Dir ist
nicht zu helfen. In einem Land, wo Deine flinke Zunge das Sagen hätte,
möchte ich nicht leben.“ Ein kleiner Seitenhieb auf das im
August erscheinende Buch Palmers mit dem Titel „Wir können nicht allen
helfen – Ein Grüner über Integration und die Grenzen der Belastbarkeit“.
Lieber Volker, ich lebe gerne in einem Land, wo dein Drogenkonsum und deine früheren Äußerungen zur Pädophilie verziehen werden.
Boris Palmer, zu Beck
Palmer antwortete
mit einer Retourkutsche: „Lieber Volker, ich lebe gerne in einem Land,
wo dein Drogenkonsum und deine früheren Äußerungen zur Pädophilie
verziehen werden. Ich finde es sogar gut, dass du trotz dieser Probleme
viel zu sagen hast in unserem Land. Schade, wenn du nicht dieselbe
Liberalität aufbringen kannst.“ Gegen Beck war 2016 wegen des Besitzes
einer „betäubungsmittelverdächtigen Substanz“ ermittelt und das
Verfahren gegen eine Zahlung von 7000 Euro eingestellt worden. Zudem
hatte Beck in einem früheren Werk umstrittene Äußerungen zur Pädophilie
gemacht.
Die Facebook-Schlacht
Weiter ging es dann so:
Beck:
„Mit Deiner Forderung, bei Nicht-Verdächtigen zwangsweise Maßnahmen
durchzuführen, greifst Du nicht mehr und nicht weniger als die
Unschuldsvermutung an. Ich lebe lieber in einem Rechtsstaat, wo solche
Maßnahmen nicht willkürlich eingesetzt werden dürfen (…).“
Palmer: „Wer redet bitte von Willkür?“; „Das
ist aber gar nicht meine Forderung. Die Täterbeschreibung war so
konkret, dass schwarze Asylbewerber in der Stadt verdächtig waren. Das
hat auch das Amtsgericht bejaht. Du baust hier einen Popanz auf.“
Beck: „Und
wenn es ein weißer Verdächtiger wäre, würdest Du alle weißen Tübinger
Männer zwangstesten. Richtig verstanden? Warum eigentlich nicht gleich
eine DNA-Datei aller Männer? Vergewaltiger sind ja meistens Männer.“
Palmer: „Wenn
in Tübingen ein weißer Mann serienmäßig Frauen vergewaltigt:
selbstverständlich. Ich würde als erster den Test machen und alle
anderen dazu aufrufen.“
Warum einen verpflichtenden Massen-DNA-Test?
Um
die Bedeutung der Forderung von Palmer nach einem verpflichtenden
Massen-DNA-Test „in gravierenden Fällen“ und bei „hinreichend konkreter
Täterbeschreibung“ noch einmal deutlich zu machen: Hätte man einen
solche Vorschrift Anfang Mai 2015 gehabt, so wäre mindestens drei
Frauen in Tübingen eine versuchte oder vollendete Vergewaltigung und
damit ein lebenslanges Trauma erspart geblieben.
Eine
Facebook-Nutzerin mischte sich ein und schrieb, dass der Rechtsstaat
nach Vergewaltigern mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln fahnden
müsse, auch mit dieser DNA-Analyse. Dafür müsse man die
Strafprozessordnung ändern. Daraufhin schrieb Beck ihr: „Da ist dann
hoffentlich das Bundesverfassungsgericht davor.“
Es geht darum, dass in Tübingen Frauen aus Angst nicht mehr alleine auf die Straße gingen.
Boris Palmer
Die Debatte der Nutzer ging an Palmers Intention bewusst oder
unbewusst vorbei. Dunkelhäutige Deutsche, Nazikeule,
Ausländerkriminalität, die meisten Vergewaltigungen im engsten Familien-
und Freundeskreis, alles war dabei. Der OB verzweifelte zusehends: „Es
geht darum, dass in Tübingen Frauen aus Angst nicht mehr alleine auf die
Straße gingen, die Polizei davor gewarnt hat, das zu tun und die Serie
verhindert worden wäre, wenn man früher den DNA-Test gemacht hätte.“
Opferschutz vor Täterschutz, eigentlich selbstverständlich.
Quelle: https://www.bayernkurier.de/inland/26856-sakrileg-und-flinke-zungen/